Richtig Feedback geben in Berufsorientierungs-Projekten

Junge Menschen bei der Berufswahl zu unterstützen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Den Teilnehmenden Rückmeldung zu ihren persönlichen Ergebnissen zu geben und daraus im Gespräch Impulse für die Berufswahl abzuleiten, gehört dabei in Projekten zur Berufsorientierung zu den wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten Disziplinen. Gibt es in solchen Berufsorientierungs-Projekten Regeln und Orientierungshilfen, an die man sich halten kann? Wie kann so ein „Feedbackgespräch“ ablaufen?
Wir haben einen gefragt, der es wissen muss: Manuel Epker vom IfBk in Münster ist Experte im Bereich Berufsorientierung und hat unter anderem das Verfahren „Peakus“ entwickelt, das an vielen Schulen in der Potenzialanalyse des Berufsorientierungsprogramms „BOP“ eingesetzt wird. Er sagt: „Feedback und Reflexion in der Berufsorientierung sind wichtig, damit Teilnehmende ihre „eigenen Experten“ werden.“

 
 

Teilnehmer müssen selbst Verantwortung übernehmen

Richtig Feedback geben in der BO
geva-institut: Herr Epker, warum sind Feedbackgespräche überhaupt ein solch wichtiger Bestandteil von Projekten zur Berufsorientierung?
Manuel Epker: Feedback und Reflexion in der Berufsorientierung geben den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre „eigenen Experten“ zu werden, sozusagen selbst das eigene Schicksal in Sachen Berufsorientierung in die Hand zu nehmen. Dafür ist es wichtig, sich in der eigenen Berufswahl zu verorten und sich bewusst zu machen, wo stehe ich gerade und mit welcher Fragestellung gehe ich die nächsten Schritte an. Ziel aller Feedback- und Reflexionsgespräche sollte das Erlangen von Berufswahlkompetenz sein.
 
 
Dafür müssen Teilnehmer aktiv am Feedbackgespräch teilnehmen und dürfen nicht einfach „alles über sich ergehen lassen“.  Wie kann das am besten erreicht werden?
In unseren Fortbildungen zum Thema Feedback in der Berufsorientierung haben wir immer wieder bemerkt, dass eine der Hauptstellschrauben der Redeanteil ist: Er sollte beim Feedbacknehmer auf jeden Fall höher sein als beim Feedbackgeber. Das Vorlesen von Ergebnissen kann auch durch einen Roboter passieren, der Effekt ist genauso gering. Fragen sind der Schlüssel zu einem hohen Einbindungsgrad des Feedbacknehmers.

Die Gesprächsdauer sollte so bemessen sein, dass alles in Ruhe besprochen werden kann, aber die Teilnehmenden dennoch nicht ermüden oder den Faden verlieren. Wie lautet Ihre Empfehlung?
Nach Erprobung unterschiedlichster Settings hat sich gezeigt, dass persönliche Gespräche mindestens 30-40 Minute dauern sollten. Noch besser ist es, wenn das Gespräch rund eine Stunde dauert.
 
Können Sie eine grobe Skizze vom Ablauf eines Feedbackgesprächs geben?
  1. Auflockerung: Wir steigen mit Ice-Breaker-Fragen und einer Warm-Up- Phase ins Gespräch ein. Für ein gelingendes Gespräch ist auch das „Joining“ wichtig, also, mit dem Feedback-Nehmer ein kooperatives Arbeitsbündnis einzugehen.
  2. Es folgt die „Thematische Rahmung“, d.h. die Klarstellung, warum wir hier sind und welchem Zweck das Gespräch dient.
  3. Nun geht es um die inhaltliche Besprechung der Ergebnisse aus den durchgeführten Verfahren (z.B. Potenzialanalyse oder Test) mit Bezug auf die Berufswelt. Hierbei  werden mögliche Berufsfelder, Studiengänge, Aus- und Weiterbildungswege, und ähnliches besprochen.
  4. Die Gesprächspartner (Feedbackgeber und Feedbacknehmer) planen gemeinsam die nächsten Schritte unter Berücksichtigung diverser Fragestellung zu den Dimensionen des Berufsorientierungsindex (BOX*)) oder eigener Fragestellungen.
  5. Mögliche Unterstützer werden ausfindig gemacht und eingeplant (z.B. Eltern, Schule, Bildungsträger, Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit usw.).
  6. Gemeinsame Dokumentation des Gespräches, Zeit- und Meilensteinplanung
  7. Verabschiedung

 

*) Der Berufsorientierungsindex ist ein Self-Assessment-Tool zur Berufswahlkompetenz, das in Projekten  zur Berufsorientierung Anwendung findet
 

 

Und was kommt nach dem Gespräch? Wie können Teilnehmer motiviert werden, die Ergebnisse in die Praxis umzusetzen und am Ball zu bleiben?
Am besten, indem es gleich weitergeht: mit konkreten Angeboten, Maßnahmen oder Veranstaltungen, die der Teilnehmer wahrnehmen kann, z.B. Messen, Praktika oder Ähnliches.

Was gehört zur optimalen Vorbereitung eines Feedback-Gesprächs?
Dazu gehören zum einen ein angemessener Raum und die nötige Zeit. Dann die Vorsichtung der Ergebnisse, um einen guten Gesprächs-Einstieg zu kreieren. Und vor allem das richtige „Mindset“ – nämlich, dass der Feedbacknehmer sein „eigener Experte“ ist  und die Auswertungsdokumente, die der Feedbackgeber vor sich liegen hat, nicht die „Zettel der Wahrheit“ sind.

Fehler lassen sich vermeiden

geva-institut: Welches sind die häufigsten Schwierigkeiten der Feedback-Geber und welche Empfehlungen können Sie geben?
Manuel Epker: Feedback-Gebern fällt es oftmals schwer, in der Kürze der Zeit eine gute Gesprächsatmosphäre auf „Augenhöhe“ herzustellen. Hier helfen bestimmte Mikromethoden und Techniken, um schnell und gut ins Gespräch zu kommen.
Auch sind die Feedbackgeber selten in systematischen Fragetechniken geschult und sind deshalb vielmehr Vorlesende der Ergebnisse.
Die Dokumentationen diverser Testungen bieten meistens keinen Platz für eigene Erkenntnisse oder Zielvereinbarungen. Es ist besser, in der Dokumentation, die auch an die Teilnehmer übergeben wird, Platz für eigene Notizen zu lassen. Achten Sie darauf, die Auswertungen nicht zu textlastig zu gestalten, damit die Teilnehmer nicht überfordert werden.

 
Über Stärken reden
IfBk-Logo
Manuel Epker und Stefanie Herik vom IfBk haben 2019 eine bundesweite Schulungsreihe zum Thema Feedback in der Berufsorientierung durchgeführt: „Über Stärken reden“ in der Potenzialanalyse von BOP-Projekten.
 Für 2020 ist eine Fortsetzung geplant – wir halten Sie auf dem Laufenden.

Wenn Sie nicht so lange warten möchte, wenden Sie sich direkt an das IfBk und erfragen Sie dort die nächste Möglichkeit einer Schulung. Auf Wunsch kann das auch eine Inhouse-Schulung sein.
https://www.ifbk-online.de/kontakt/
 
 
 
Worauf müssen Feedback-Geber besonders achten?
Berufsorientierung ist ein Prozess, es gibt keine Wahrheit der Ergebnisse, sondern nur ein gemeinsames Verständnis der Momentaufnahme mit dem vorliegenden Mikrofenster einer Diagnostik.

Ist es sinnvoll, wenn Lehrkräfte die Ergebnisse mit ihren eigenen Schülern besprechen?
Je mehr Personen involviert sind und sinnvoll unterstützend zur Seite stehen, desto besser. Die Intention einer Lehrkraft sollte dabei allerdings nicht das Interesse sein, Schulnoten mit einer vorliegenden Diagnostik abzugleichen und Bestätigungen für die eigene Arbeit zu suchen. Vielmehr erhält der/die LehrerIn eine besondere Möglichkeit, die eigenen Schüler neu kennen zu lernen und einen objektiven Einblick in Lebenswelten, Persönlichkeitsmerkmale und Interessen zu bekommen.

Empfehlen Sie eine Schulung zur Durchführung von Feedback-Gesprächen?
Auf jeden Fall! Pädagogische MitarbeiterInnen im Bereich der beruflichen Orientierung und Weiterbildung sollten Gesprächstechniken und Fragestellungen trainieren, verschiedene Berufsorientierungstheorien kennen und in das Gespräch einfließen lassen können, sich mit den aktuellen Aus-/ Weiterbildungs- und Studiengängen auskennen, die verschiedenen Prinzipien/Inhalte verschiedener Diagnostiken und die Entstehung von Ergebnissen/Dokumentationen kennen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Epker!