Erfolgreich durch die Krise: Das können Bildungsträger tun

Wie halten Bildungseinrichtungen während der Kontaktbeschränkungen und teilweisen Lockerungen den Geschäftsbetrieb aufrecht? Jasmin Biermann vom Placement-Unternehmen biema und Renate Gaun vom Bildungsinstitut BSG erzählen, wie sie die Krise erleben und warum sie glauben, gestärkt daraus hervorgehen zu können.
Das Geheimnis? Eine Kombination mehrerer Faktoren. Aus welchen Zutaten ihr erfolgreiches Krisenmanagement besteht, lesen Sie im Interview.

 
 
 
Renate Gaun, Leiterin Marketing BSG

"Die Zeit hat tatsächlich auch ihr Gutes: Projekte, die noch in der Schublade schlummerten, sind jetzt ins Leben gerufen worden"

Renate Gaun, Leiterin Marketing BSG

 
geva-institut
Frau Biermann-Gässler, Frau Gaun, wie haben Sie in Ihren Bildungs-Unternehmen den Beginn der Kontaktbeschränkungen im März erlebt? Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um trotz der Einschränkungen arbeitsfähig zu bleiben?
Jasmin Biermann-Gässler
Da wir uns schon vor längerer Zeit digital weiterentwickelt haben, konnten wir innerhalb von zwei Wochen alle unsere Klienten befähigen, unsere Leistungsangebote online wahrzunehmen. So war es uns möglich, alle Leistungsangebote rund um das berufliche Placement inklusive aller Testverfahren weiterhin anzubieten und durchzuführen. Sogar für die Schüler*innen des Abschlussjahrgang 2021 eines regionalen Gymnasiums, die alle zu Hause waren, konnten wir in Zusammenarbeit mit der Schule die Berufsfindung inklusive Testung und Feedbackgesprächen online durchführen. Selbst ein Assessment-Center war auf Online-Assessment erfolgreich umgestellt worden. Anfänglich war es etwas befremdlich, die Feedbackgespräche zu den Testergebnissen online durchzuführen, doch sehr schnell konnte sich das gesamte Team mit ein bisschen Übung darauf einstellen und dies weiterhin professionell durchführen. Darüber bin ich sehr froh und auch sehr stolz auf das gesamte Team.
Renate Gaun
Wir haben uns erst einmal im Team zusammengesetzt und überlegt, wie wir uns jetzt aufstellen. Der Entschluss, weitest möglich auf Online-Coaching und E-Learning umzustellen, kam schnell.
Als nächsten Schritt haben wir ein eigenes Online-Kommunikationsportal für Coaches und Kunden ins Leben gerufen und haben, wo möglich, auch Telefoncoaching eingesetzt. Da wir rasch reagiert haben, konnten wir unseren Geschäftsbetrieb in der angepassten Form sehr bald wieder aufnehmen.
 
Mussten Sie sich dafür neue Arbeitsweisen/Methoden aneignen oder Investitionen tätigen?
Renate Gaun
Ja! Der Aufbau der E-Learning Plattform hat schon Investitionen gefordert: Wir haben für den Weiterbildungsbereich ein Filmstudio aufgebaut und neue Mitarbeiter eingestellt.
Hinsichtlich des Coachings war es natürlich auch nicht für alle Coaches und Kunden einfach, mit den neuen technischen Gegebenheiten umzugehen. Mit gegenseitiger Unterstützung hat alles aber weitgehend gut geklappt.
Jasmin Biermann-Gässler
Auch wir mussten uns teilweise auf neue Methoden umstellen und einiges an Geld in die Hand nehmen. Hätten wir uns aber nicht schon davor digital sehr gut aufgestellt, wäre das nicht gegangen. Wir hatten also auch sozusagen "Glück im Unglück" oder einfach ein gutes Gespür für die digitalen Entwicklungen. Methodisch ist und bleibt es ein Lernfeld für uns alle.
Jasmin Biermann-Gässler, Geschäftsführerin biema

„Wir hatten ein gutes Gespür für die digitalen Entwicklungen. Methodisch ist und bleibt es ein Lernfeld für uns alle“

Jasmin Biermann-Gässler, Geschäftsführerin biema

 
 
Wie groß war die Umstellung, die die neue Situation von Ihnen gefordert hat? Mussten Sie z.B. die Vorgehensweise bei Ihren Dienstleistungen  abwandeln oder diese vorübergehend vollständig abbrechen, haben Sie sich neu um Fördermittel für Maßnahmen beworben, die Sie außerhalb der Krise nicht in Betracht gezogen hätten, sind Sie auf eine andere Zielgruppe zugegangen?
Jasmin Biermann-Gässler
Unsere Zielgruppe hat sich dahingehend geändert, dass wir situationsbedingt vermehrt Klienten haben, denen eine Kündigung bevorsteht. Wir unterstützen sie beim Bewerbungsprozess und dabei, im Idealfall trotz der Coronasituation eine Stelle zu finden. Natürlich sind Aufträge seitens der Bundesagentur für Arbeit oder der Jobcenter eingebrochen, doch wir sind bis dato noch gut durchgekommen. Externe Fördermittel haben wir bisher noch nicht abgerufen.
Renate Gaun
Glücklicherweise konnten wir dank der rechtzeitig ins Leben gerufenen Neuerungen mit unseren Kunden weiterarbeiten. Daraus ist in dieser Zeit eine neue geförderte Zertifizierung entstanden: Die Maßnahme „Horizont“ findet dauerhaft online statt und richtet sich an Menschen, deren psychische Erkrankung es ihnen nicht erlaubt, zum Coaching zu uns in die Einrichtung zu kommen.
 
Sie sagten, Sie seien weitestgehend auf E-Learning und Online-Beratung umgestiegen. Sind denn Ihre Kunden technisch soweit ausgestattet, dass dies ohne Probleme möglich war, und haben sie die notwendigen Anwender-Kenntnisse, um auf Online umzusteigen?
Renate Gaun
Naja, ganz so reibungslos lief es natürlich nicht.
Für die Kunden, die Schwierigkeiten haben bei der technischen Umsetzung, haben wir, neben der persönlichen Beratung, Schritt für Schritt Anleitungen (in schriftlicher Form und Videos) erstellt, die auf unserer Website unkompliziert abrufbar sind. Hier können die Kunden wirklich jeden Schritt bis zum Gespräch mit dem Coach nachvollziehen. Für diejenigen, bei denen dennoch keine Möglichkeit zur Online-Beratung besteht, wurde Telefoncoaching angeboten. Dieses ist auch gut angenommen worden.
Jasmin Biermann-Gässler
Teilweise mussten wir Klienten mit technischem Equipment ausstatten und/oder diese in der virtuellen Beratungswelt "onboarden". Zudem gingen ca. 80 % der Belegschaft ins Homeoffice, hier galt vergleichbares.
 
 
BSG

Das BSG Bildungsinstitut für Soziales und Gesundheit wurde 2018 in Recklinghausen gegründet. Derzeit ist es bundesweit an 19 Standorten vertreten.
Das BSG bietet neben Coaching für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen auch Weiterbildung von Fachkräften im Sozialwesen und Soziotherapie psychisch kranker Menschen an.
Das geva-test®-System Aktivieren & Orientieren wird im Rahmen des Coaching eingesetzt.

Zur Website des BSGZum geva-test®-System Aktivieren & Orientieren

 
 

biema

Das Placement-Unternehmen biema ist für Menschen, Unternehmen und Institutionen der richtige Ansprechpartner, wenn es darum geht, Menschen jeden Alters zu unterstützen, die sich situativ oder präventiv bei der Entwicklung ihrer beruflichen Laufbahn helfen lassen wollen.
Der Hauptsitz des Unternehmens ist in Donaueschingen (Schwarzwald-Baar-Kreis). Biema unterhält drei weitere Standorte in Singen, Rottweil und Villingen-Schwenningen.
Biema setzt verschiedene geva-tests aus dem Angebot für Bildungsträger standardmäßig bei allen Klienten spezifisch nach Zielgruppen ein.

Zur Website von biemaZum Angebot für Bildungsträger

 
Momentan entspannt sich die Situation ja ein wenig und die Kontaktbeschränkungen werden gelockert. Wie arbeiten Sie jetzt und inwiefern unterscheidet sich dies von Ihrer Arbeitsweise vor der Krise?
Jasmin Biermann-Gässler
Im Unterschied zu vor der Krise arbeiten wir aktuell "hybrid". Wir haben einige Klienten, die wieder vor Ort bei uns präsent sind, doch gefährdete Zielgruppen oder Eltern, die wegen der Kinder zu Hause bleiben müssen, betreuen wir weiterhin online.
Renate Gaun
Uns geht es da momentan wie vielen anderen auch: Wir müssen die Anzahl der Kunden bei uns vor Ort beschränken, ein Hygienekonzept erarbeiten, Anwesenheitslisten der Besucher erstellen und vieles mehr. Auch wir arbeiten hybrid: Teils kommen die Kunden uns wieder vor Ort besuchen, teils ziehen sie noch die Online-Beratung vor.
 
Ihr bisheriges Fazit: Rein negativ – oder gibt es auch positive Entwicklungen für Ihre Einrichtung, die Sie der Krise zu verdanken haben?
Jasmin Biermann-Gässler
Also ich persönlich habe mehr Nacken- und Rückenprobleme, weil meine und auch die Arbeitszeit aller Mitarbeiter sich nur noch vor dem Bildschirm abspielen. Aber ansonsten haben wir auch viele tolle Erlebnisse: Mehr Effizienz in den Besprechungen, Umweltschonendes Handeln, da wir kein Auto mehr großartig beweg(t)en und nicht zuletzt auch die digitalen Kompetenzen, die wir ohne diese Situation sicherlich schwerlich so schnell hätten "schulen" können.
Renate Gaun
Die Zeit war und ist anstrengend und herausfordernd, aber tatsächlich hat sie auch ihr Gutes: Projekte, die noch in der Schublade schlummerten, sind jetzt ins Leben gerufen worden, wir haben als Team zusammengehalten und sind gestärkt aus der arbeitsintensiven Zeit herausgegangen.
 
Noch ist die Normalität ja keineswegs zurück. Was würden Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen raten, wie sollen sie weiterhin vorgehen, was ist besonders wichtig, um jetzt arbeitsfähig und „im Geschäft“ zu bleiben?
Renate Gaun
Ganz wichtig: Nicht zurückziehen, sondern Krisenmanagement betreiben: Setzen Sie sich mit dem gesamten Team zusammen, tauschen Sie sich aus, sammeln Sie Ideen, jeder kann etwas beitragen. Bemühen Sie sich um konstruktive Lösungen und erstellen Sie einen Plan.
Lassen Sie sich auch davon inspirieren, was andere Einrichtungen in Ihrem Geschäftsfeld tun, wie sie an die Bewältigung der Herausforderungen herangehen.
Greifen Sie auf Ihr bestehendes Netzwerk zurück, fragen Sie nach Einschätzungen und ggf. nach Unterstützung, bieten Sie Unterstützung an.
Das ist alles nichts Neues, aber man kann es sich dennoch nicht oft genug bewusst machen – vor allem, wenn es so darauf ankommt wie gerade eben.
Jasmin Biermann-Gässler
Digitale Kompetenze,n so genannte "Future Skills" aufzubauen, sich selbst in Frage stellen, Disruption und Substituierbarkeit ernst nehmen und in einem schnelleren Tempo vorwärts gehen um nicht überrannt oder überholt zu werden.

Frau Biermann-Gässler, Frau Gaun, wir danken Ihnen für das Gespräch