Mitarbeiterbefragung selbst erstellen: Das bringen Online-Umfragetools im HR-Bereich wirklich

Expertenmeinung von Gerhard Bruns, geva-institut

 

In den letzten Jahren hat es eine beeindruckende Anzahl von Tools für Online-Umfragen auf den Markt gespült. Es sind geschätzt 100 verschiedene Tools von inländischen und ausländischen Anbietern und es werden täglich mehr. Die Funktionalitäten sind meist vergleichbar: Die Spanne reicht von sehr einfachen Online-Fragebogen-Anwendungen bis hin zu durchaus komplexen und komplizierten Systemen aus dem Umfeld der Marktforschung, mit denen man sogar Blickbewegungen messen kann (braucht man das im Human-Resources-Bereich wirklich?). Für Umfragen aller Art sind diese Systeme durchaus interessant und meist auch – zumindest die semiprofessionellen – auf den ersten Blick recht preisgünstig. Aber sind derartige Systeme auch für den HR-Bereich tauglich? Was kann man damit in der Praxis anfangen, welche Aufgaben übernehmen die Systeme und was muss man noch selber tun?

 
 
Mitarbeiterbefragung mit Online-Umfragetool: Das bringt es

Umfrage-Tools dienen vornehmlich der reinen Online-Datenerhebung

In den letzten Monaten erreichen uns verstärkt Anfragen aus den Personalbereichen verschiedener Unternehmen und Behörden, bei denen es um inhaltliche und methodische Unterstützung bei Mitarbeiterbefragungen oder sonstigen organisationsinternen Befragungen geht.
Das Problem ist immer dasselbe: Eigentlich wollte man nach dem Kauf einer Befragungs-Software alles rund um das Projekt unternehmensintern erledigen, aber dann stellte sich heraus, dass man mit diesem Tool eigentlich nur die Online-Datenerhebung durchführen kann - die Möglichkeiten zur Auswertung und Ergebnisaufbereitung sind in derartigen Tools oft nur sehr statisch und äußerst rudimentär vorhanden.
Alles außer der Datenerhebung muss also noch selber getan werden – und das ist nicht gerade wenig: Konzept, Inhalte, Messmodelle, Hinterlegung der Organisationsstruktur, Auswertung, Ergebnisaufbereitung, Ergebnisbewertung, Benchmarking sowie die gesamte Kommunikation und Argumentation der Befragung und der Ergebnisse gegenüber Mitarbeitenden und Führungskräften. Insgesamt sind das etwa 95% der Arbeiten, die bei einer Mitarbeiterbefragung anfallen. Zudem werden Themen wie Vertraulichkeit und Anonymität, Datenschutz- Vorgaben im Sinne der DSGVO oder rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Mitarbeiterbefragung nicht durch jeden der Software-Anbieter der meist ausländischen Systeme unterstützt.

Nicht geeignet für komplexe organisationsinterne Befragungen

Bei Mitarbeiterumfragen in komplexen Unternehmensstrukturen sind die Grenzen eines Umfrage-Tools schnell erreicht: Müssen Befragungen in Unternehmen mit vielen Hundert oder Tausend Mitarbeitern in mehreren Ländern und verschiedenen Sprachen durchgeführt werden, erfordert das die Erstellung von Dutzenden oder sogar Hunderten von Ergebnisreports für Führungskräfte in einem didaktisch und optisch verständlichen Format. Dies stellt jedoch für ein Befragungs-Tool eine unüberwindliche Herausforderung dar.
Auch die Abbildung der Organisationsstrukturen in den Befragungs- und Auswertungssystemen ist ein oft unterschätzter Prozess, der nicht automatisch von einem Tool zur Online-Umfrage geleistet werden kann. Diese Informationen muss man immer noch selber recherchieren und in die Systeme einpflegen. 
 
Wenden Sie sich an die Experten
Eine individuelle Mitarbeiterbefragung bietet im Vergleich zu einem Umfrage-Tool zahlreiche Vorteile und ist, betrachtet man das gesamte Kostenspektrum, häufig sogar deutlich wirtschaftlicher in der Durchführung.

Das geva-institut ist als psychologisches Beratungsinstitut für Personal- und Organisationsdiagnostik seit über 30 Jahren spezialisiert auf die Konzeption und Umsetzung von Mitarbeiterbefragungen – sowie die Ableitung, Planung, Begleitung und Erfolgskontrolle der daran anschließenden Umsetzungsprozesse.
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Sie möchten als KMU eine Mitarbeiterbefragung durchführen und verfügen (noch) nicht über das Budget für ein individuell auf Ihr Unternehmen zugeschnittenes Projekt? Das geva-institut bietet Ihnen auch hierfür eine Lösung: den JobSat-Monitor. Hier haben wir unsere Erkenntnisse und Erfahrungen aus über 30 Jahren Mitarbeiterbefragung in ein schlankes, aber dennoch aussagekräftiges Befragungsinstrument zu einem attraktiven Preis zusammengeführt.
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Auswertung und Ergebnisbewertung nur für bescheidene Ansprüche ausreichend

Und ganz entscheidend: das Befragungstool hilft nicht wirklich bei der Ergebnisaufbereitung, es sei denn, man möchte nur eine deskriptive Gesamtauswertung über alle Daten einer Befragung erstellen, die aus einer Aneinanderreihung der Häufigkeiten und Mittelwerte zu allen Fragen des Fragebogens in Form simpler Tabellen und Standardgrafiken besteht.

Für Mitarbeiterbefragungen wäre das eine sehr reduzierte, wenig aussagekräftige und letztlich enttäuschende Ergebnisnutzung.

Intelligent aufbereitete Ergebnisreports für Führungskräfte im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen enthalten Handlungsanalysen, Ergebnisbewertungen, Priorisierungen und Zusammenfassungen wesentlicher Erkenntnisse. Auf dieser dezentralen Ebene werden Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Motivationsmerkmalen wie Bindung, Identifikation, Engagement oder Arbeitgeberattraktivität ermittelt und daraus Motivationsfaktoren zur Verbesserung abgeleitet. Den Führungskräften einer Organisationseinheit wird über individuelle Reports aufgezeigt, was sie persönlich in Ihrer Rolle als Führungskraft tun können, um die Leistung ihrer Organisationseinheit und gleichzeitig die Motivation ihrer Mitarbeitenden zu steigern.
Um dies zu leisten, braucht es mehr als ein Tool, das zur Datenerhebung fähig ist. Ganz zu schweigen, dass von diesen Tools keinerlei Benchmarks und statistische Daten zur Ergebnisbewertung geliefert werden.
Zu hoffen, dass man mit einem Online-Befragungstool komplexe Projekte meistern könne, wäre das Gleiche, als wenn man von einer Druckerei, die einen Print-Fragbogen produziert, erwarten würde, dass diese auch den zu druckenden Inhalt liefert und die mit dem Fragebogen erhobenen Daten auswertet.

Umfrage-Tools sind nur scheinbar preisgünstig

Die Möglichkeit, jederzeit Online-Umfragen erstellen zu können, wird als einer der großen Vorteile von Befragungs-Tools dargestellt. Warum eigentlich? Sind Puls-Befragungen, also zum Beispiel monatliche Abfragen zu unterschiedlichen oder denselben Themen, wirklich so sinnvoll und werden von Mitarbeitenden sehnsüchtig erwartet? Braucht die Geschäftsführung wöchentlich oder monatlich ein Stimmungsbild der Mitarbeitenden? Helfen diese Daten Führungskräften bei ihrer Führungsarbeit? Steigern sie die Mitarbeiterzufriedenheit? Wohl kaum. Die Empfehlung häufiger Befragung hat vorwiegend wirtschaftliche Gründe:
Die Lizenzmodelle der Tool-Anbieter sehen entweder einen Preis pro Interview vor oder es wird eine monatliche Nutzungsgebühr erhoben, die sich nach der Anzahl der Mitarbeitenden im Unternehmen richtet. Diese Gebühr liegt zwischen 3 und 6 Euro pro Mitarbeiter im Unternehmen und Monat, wie eine Anbieterübersicht in der Zeitschrift Personalwirtschaft 09/2020*) verrät. Es besteht also kein Interesse seitens der Lizenzverkäufer, dass nur alle zwei Jahre eine „große“ Mitarbeiterumfrage mit der Software durchgeführt wird. Das bringt kaum Umsatz. Im Lizenzmodell „Mitarbeiter und Monate“ summiert sich aus wenigen Euros pro Mitarbeiter und Monat schnell ein erheblicher Jahresbetrag, der hausintern über viele Befragungen gerechtfertigt werden muss. Also rufen Tool-Anbieter lautstark: „Die klassische Mitarbeiterbefragung ist tot, es lebe die agile, monatliche Puls-Befragung“. Thema und Nutzwert scheinen dabei eher zweitrangig zu sein.  
 
Über den Autor
Gerhard Bruns, Geschäftsführung geva-institut
Gerhard Bruns ist Diplom-Psychologe und Gründer des Münchner geva-instituts für Personal- und Organisationsdiagnostik.
Er war nach dem Studium der Psychologie, Sozialwissenschaften und Germanistik am Max-Planck-Institut im Bereich der Evaluationsforschung tätig.
Als geschäftsführender Gesellschafter des geva-instituts ist er zuständig für die strategische Entwicklung sowie für die Entwicklung der Produkte und Dienstleistungen des geva-instituts.
 
 
 

Und täglich grüßt das Murmeltier: Puls-Befragungen unter Mitarbeitenden

Eine Lizenz lohnt sich in der Regel nicht, es sei denn, man veranstaltet monatlich oder wöchentlich Umfragen unter allen Mitarbeitenden im Unternehmen. Je mehr Befragungen in einem Unternehmen stattfinden, umso begeisterter sind die Mitarbeitenden, umso größer die Mitarbeiterzufriedenheit. Stimmt das? Die Gefahr ist groß, dass häufige Befragungen im besten Fall langweilen und im schlimmsten Fall bei den Befragten zu Frustration und Teilnahmeverweigerung führen. Dann ist das Instrument „Befragung“ eines Tages im Unternehmen komplett disqualifiziert. Dies geschieht besonders schnell und wirkungsvoll, wenn die wahrgenommenen Erkenntnisziele, Befragungsinhalte und Auswertungen immer trivialer und beliebiger werden, für die Teilnehmenden weder Bedeutung, Aussagekraft noch Umsetzungsrelevanz erkennen lassen und damit aus Sicht der Befragten keinen persönlichen Nutzen versprechen. Und am schlimmsten ist es, wenn die Befragungen zu nichts führen und offensichtlich nur die Neugierde der Unternehmensleitung bedienen. Was passiert: Es nehmen immer weniger Personen teil, nur noch die sehr Unzufriedenen, die meinen, auf diesem Weg ihre große Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen zu können. Dies verfälscht letztlich die Befragungsergebnisse. Und das Image der Personalabteilung leidet, denn sie wird verantwortlich gemacht für den Befragungs-Overkill.

Wann ist eine Mitarbeiterbefragung als Dienstleistung wirtschaftlicher als eine Tool-Lizenz?

Letztlich unterstützt ein Umfrage-Tool nur wenige Teilleistungen in einem Projekt. Wenn eine Mitarbeiterbefragung von einem spezialisierten Institut durchgeführt wird, dessen Schwerpunkt auf der Beratung und der Projektleistung liegt, sind die Hosting- und Systemnutzungskosten in der Regel der kleinste Posten im Rahmen des Projekts. In diesem Fall wird die Datenerhebung per Online-Fragebogen je nach Anzahl der Teilnehmer mit etwa 1-3 Euro pro Teilnehmer für Hosting und Systemnutzung bewertet. Dazu kommt die Einrichtung des kundenspezifischen Fragebogens, die aber bei der Nutzung eines Online-Tools auch zu leisten ist. Warum also eine Befragungssoftware-Lizenz kaufen, die monatliche Kosten verursacht, wenn man nur gelegentlich eine Mitarbeiterbefragung durchführen möchte?

Wann macht die Anschaffung eines Umfrage-Tools im Unternehmen Sinn?

Wenn die inhaltliche und methodische Kompetenz zur Konzeption, Umsetzung, Auswertung und Kommunikation von organisationsinternen Umfragen im Unternehmen vorhanden ist und diese Projekte zeitlich und personell adäquat priorisiert werden können, dann kann man über eine eigene Softwarelizenz nachdenken. Dann können sich ein, zwei Personen in das System einarbeiten. Das macht aber nur Sinn, wenn das Tool auch wirklich häufig genug genutzt wird. Wenn man nur sporadisch organisationsinterne Befragungen veranstaltet, ist es wirtschaftlicher, für die Durchführung der Online-Datenerhebung eine projektbezogene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Dafür muss man keine Lizenz kaufen, die regelmäßige, wiederholte Kosten verursacht, auch dann, wenn man das System gar nicht nutzt. Die Projektidee, die Projektkommunikation, die fachlich-inhaltliche Konzeption, Auswertung und Ergebnisaufbereitung muss man selber leisten. Den damit verbundenen Aufwand unterschätzen aber viele Personaler. Spätestens dann, wenn man erkennt, dass man das Befragungssystem selten einsetzt und sich wiederholt die Frage stellt „Was könnten wir denn nächsten Monat in den Fragebogen schreiben?“, ist es höchste Zeit, die Lizenz zu kündigen.
 
*) Mitarbeiterbefragung – Personalwirtschaft Special, Ausgabe 09/2020: Mitarbeiter-Feedback-Lösungen im Überblick, S. 27 ff.)