Fünf Dinge, auf die es bei Einstellungstests wirklich ankommt

Einstellungstest, Eignungstest, Online-Assessment: Ein Test zur Personalauswahl steht oft am Beginn eines Bewerbungsprozesses. Die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) im Gespräch mit dem Eignungsdiagnostiker Gerhard Bruns vom Münchner geva-institut: Was passiert bei Eignungstests und wie bereitet man sich am besten darauf vor?

 
 
 
Fünf Dinge, auf die es bei Einstellugnstests wirklich ankommt. Gerhard Bruns vom geva-institut erklärt, welche das sind.

1. Berufsbezogene Einstellungstests kommen in den meisten Branchen vor

NOZ: Wo muss man mit einem Einstellungstest bei einer Bewerbung um eine Ausbildungsstelle rechnen?
 
Gerhard Bruns: Bei Behörden und Kommunen, bei der Polizei, im öffentlichen Sektor insgesamt, aber auch bei Banken und Sparkassen kann man fest davon ausgehen, zu einem Einstellungstest eingeladen zu werden. Aber auch in Unternehmen sind Tests zur Eignungsfeststellung weit verbreitet. Meist sind die Tests auf die Anforderungen der jeweiligen Berufe hin ausgerichtet. Von künftigen Technikern werden andere Kompetenzen erwartet als von Kaufleuten.
Eignungsdiagnostische Tests werden in der ersten Stufe eines Personalauswahlverfahrens eingesetzt, da über diese Methode mit wenig Aufwand für das Unternehmen viele Eignungsmerkmale aus allen wichtigen Bereichen untersucht werden können. Die anderen Methoden wie Interview und Assessment Center folgen dann für die im Test als potenziell geeignet diagnostizierten Kandidaten zur Validierung und Bestätigung der Testergebnisse.
 
Gilt das auch für eine Bewerbung zum dualen Studium?

Bei der Auswahl von dual Studierenden wird besonders sorgfältig auf die Übereinstimmung zwischen dem Bewerberprofil einerseits und dem betrieblichen Anforderungsprofil andererseits geachtet. Schließlich investieren die Unternehmen nicht nur viel Geld in das Studium - die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in den Praxisphasen auch bereits operativ im Unternehmen mit und sollen später einmal leitende oder fachliche Verantwortung übernehmen. Die Anforderungen an dual Studierende sind somit deutlich höher als die Anforderungen im Ausbildungsbereich – und das merkt man auch als Testteilnehmer.
 
Gerhard Bruns
Gerhard Bruns, Geschäftsführung geva-institut
Gerhard Bruns ist Diplom-Psychologe und Gründer des Münchner geva-instituts für Personal- und Organisationsdiagnostik.
Er war nach dem Studium der Psychologie, Sozialwissenschaften und Germanistik am Max-Planck-Institut im Bereich der Evaluationsforschung tätig.
Als geschäftsführender Gesellschafter des geva-instituts ist er zuständig für die strategische Entwicklung sowie für die Entwicklung der Produkte und Dienstleistungen des geva-instituts.
Das Institut entwickelt seit über 30 Jahren eignungsdiagnostische Methoden und Potenzialanalysen. Viele hundert Unternehmen und Behörden setzen die Testverfahren des geva-instituts regelmäßig bei ihrer Personalauswahl ein.
 
 
 

2. Bei Eignungstests geht es um die Vorhersage künftiger Leistungen

Warum nutzen Unternehmen eigentlich Eignungstests bei der Auswahl ihrer Azubis? Eigentlich müssten doch Schulzeugnisse ausreichen?

 

Leider verlieren Zeugnisse immer mehr an Aussagekraft: Die Vergleichbarkeit zwischen Bundesländern und Städten, aber selbst zwischen einzelnen Schulen ist nicht wirklich gegeben, die Standards sind sehr unterschiedlich. Schulzeugnisse verraten viel über schulischen Fleiß, Ausdauer und Lernmotivation in einem gewissen Altersabschnitt, sicher auch über den Wissensstand in den verschiedenen Schulfächern und einer gewissen allgemeinen Intelligenz. Schulnoten sind aber nicht besonders aussagekräftig, wenn man beruflichen Erfolg vorhersagen möchte - außerdem ist es dabei auch schwierig, objektive Kriterien für den beruflichen Erfolg zu definieren.

Bei Einstellungstests geht es in der Regel weniger um die Erklärung der Vergangenheit, also ob man ein guter oder schlechter Schüler war, sondern vielmehr um die Vorhersage künftigen Verhaltens und künftiger Leistungen. Mit der Ausbildung oder dem Studium beginnt man einen neuen Lebensabschnitt, wird mit neuen Themen und Aufgaben konfrontiert und muss diese neuen Herausforderungen möglichst souverän meistern. Ob und inwieweit man das schaffen kann, das wollen Unternehmen über ihre Einstellungsverfahren erkennen.


Manche Firmen führen nur Interviews durch. Ist das nicht ausreichend, um die Potenziale junger Menschen zu erkennen?

 

Interviews bieten in der Regel wenig strukturierte und vergleichbare Daten. Das liegt zum einen daran, dass viele Einstellungsinterviews unprofessionell geführt werden, und zum anderen daran, dass in einem kurzen Interview immer nur ein kleiner Verhaltensausschnitt und somit auch nur wenige Eignungsmerkmale einer Bewerberin oder eines Bewerbers beurteilt werden können.

Des Weiteren sind Jugendliche im Vorstellungsgespräch oft zurückhaltend - es gibt bei Schülern wenige Gesprächsthemen, über die man sich mit diagnostischem Mehrwert austauschen könnte. Das führt dazu, dass die Interviewer viel und die Bewerber wenig reden und das Gespräch nicht selten unstrukturiert verläuft. Das bringt kaum substantiellen Erkenntnisgewinn.

 

Welche weiteren Auswahlmethoden werden von Firmen eingesetzt?

 

In der zweiten Stufe der Bewerberauswahl werden gerne Assessment Center durchgeführt, vor allem im Rahmen der Auswahl dual Studierender und im kaufmännischen Bereich. In solchen Veranstaltungen müssen die Bewerber zum Beispiel situativ bestimmte Aufgaben lösen, etwas präsentieren oder in der Gruppe ein Problem bearbeiten. Dabei werden sie von mehreren Beurteilern beobachtet und hinsichtlich einiger, in der Regel fünf bis sieben Eigenschaften, beurteilt. Solche Methoden sind in der Durchführung recht aufwändig, bieten aber mehr diagnostische Substanz als ein Interview – zumindest in der Beurteilung der sozialen Kompetenzen.

3. Ein gutes Online-Assessment misst nicht nur Leistung

Mit welcher Art von Aufgaben muss man beim Einstellungstest, alias Online-Assessment, rechnen?

 

Oft wird nur die kognitive Leistungsfähigkeit von Bewerberinnen und Bewerbern getestet. Mit einem Intelligenztest kann man zwar künftige Prüfungsleistungen ganz gut vorhersagen, zum Beispiel, ob man die Berufsausbildung oder das Studium mit guten Noten abschließen wird. Ein reiner Test der kognitiven Fähigkeiten ist aber nicht ausreichend, wenn man das berufspraktische Potenzial von Bewerbern erkennen möchte.

 

Dazu gehört zum Beispiel, wie man sich später einmal gegenüber Kunden, Kollegen und Vorgesetzten verhalten wird, wie gut oder schlecht man sich selber organisieren kann, ob man sich engagieren und einbringen möchte oder wie man mit Belastungen und Frustrationen umgeht. Kurzum: ob man später einmal im Berufsalltag gut funktionieren wird. Und das ist, was in der Praxis wirklich zählt. Will man aber solch komplexe Vorhersagen treffen, muss man den Test um geeignete Eignungsmerkmale erweitern. Viele Unternehmen und Behörden tun dies bereits, insbesondere dann, wenn der Test nicht nur dazu dient, die Anzahl der eingegangenen Bewerbungen nur irgendwie zu reduzieren (was leider viel zu oft geschieht), sondern um möglichst gute und passende neue Mitarbeitende für das Unternehmen zu entdecken und zu gewinnen.

 

Wie genau misst man denn die verschiedenen Eignungsmerkmale?

 

Wir haben im Testsystem des geva-instituts drei Säulen berücksichtigt: kognitive Leistungsfähigkeit, Schlüsselqualifikationen, also persönliche, soziale und methodische Kompetenzen, sowie die Berufsmotivation. Wir meinen, dass alle drei Aspekte wichtig sind, um Eignung festzustellen und den künftigen praktischen Berufserfolg vorherzusagen.


Zur Messung der kognitiven Leistungsfähigkeit werden Aufgaben aus verschiedenen Leistungsfeldern gestellt, zum Beispiel aus den Bereichen Sprachverständnis, numerisch-rechnerisches Denken, figural-räumliche Kompetenz, Konzentrations- und Merkfähigkeit und schlussfolgerndes Denken. Darüber hinaus werden auch Rechtschreibung und diverse Wissensthemen geprüft. In einem Leistungstest gibt es immer richtige oder falsche Lösungen. Es handelt sich daher um eine objektive Prüfung.

 

Um gute von sehr guten Leistungen zu unterscheiden, verwenden wir Aufgaben unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, die in einer bestimmten Zeit gelöst werden müssen. Es herrscht also Zeitdruck, deswegen nennt man diese Art von Tests auch Speed-Tests. Nur wenige Personen werden immer alle Aufgaben in der zur Verfügung stehenden Zeit bearbeiten können. Das ist nicht immer angenehm für die Testteilnehmer, dient aber der besseren Ergebnisdifferenzierung. Im Bereich der Berufsausbildung sind in der Regel keine Spitzenleistungen in den verschiedenen Disziplinen notwendig, es sollte aber eine gewisse Leistungsschwelle erreicht oder überschritten werden.

 

Diese Schwelle und die Gewichtungen der Merkmale untereinander sind abhängig von den beruflichen Anforderungen. Die Latte, die es zu überspringen gilt, kann also je nach Beruf oder Studiengang mal höher und mal niedriger aufgehängt werden. Wir nennen die Gesamtheit aller Anforderungen, die ein Bewerber zu erfüllen hat, das Anforderungsprofil. Man kann ein Anforderungsprofil mehr oder weniger gut treffen. Das unterscheidet geeignete von weniger geeigneten Bewerbern.


Und wie misst man Schlüsselqualifikationen und die Berufsmotivation? Hier gibt es doch kein richtig oder falsch?

 

Das ist korrekt. Es gibt aber ein mehr oder weniger. Für persönliche und soziale Kompetenzen und auch für die Messung der Berufsmotivation gibt es leider keinen Lackmustest. Wir nutzen in diesem Zusammenhang Verhaltensberichte, also Aussagen, die sich auf Merkmale wie zum Beispiel Kontaktstärke, Durchsetzungsvermögen, Sorgfalt, Lernbereitschaft, Teamorientierung, Flexibilität oder Eigeninitiative beziehen oder auf Berufsinteressen und die vielen anderen motivationalen Aspekte. Dazu werden im Test mehrere unterschiedliche Aussagen präsentiert, anhand derer sich die Teilnehmer selbst einschätzen.

 

Die Resultate werden zusammengefasst und auf statistischer Grundlage mit den Aussagen anderer Personen verglichen. Die Vergleichsgruppe setzt sich aus Personen zusammen, die ein vergleichbares Alter haben und eine vergleichbare Schulform besuchen oder besucht haben. Absolut wären die Ergebnisse eines einzelnen Teilnehmers nicht zu interpretieren, das geht nur im Vergleich mit anderen. Das ist im Übrigen beim objektiven Leistungstest nicht anders. Man kann eine Leistung einer Einzelperson nur bewerten, wenn man die Leistungen anderer kennt und somit auch die Aufgabenschwierigkeiten einschätzen kann. Daher sind selbstgemachte Einstellungstests in Quizform, die leider in Unternehmen durchaus noch eingesetzt werden, nicht aussagekräftig.

4. Beschönigende Antworten und Mogeln werden erkannt

Dann könnte ein Teilnehmer aber durch geschickte Antworten das Testergebnis beeinflussen, um besser abzuschneiden?


So leicht ist das nicht. Es gibt Dutzende Aussagen zu sehr vielen unterschiedlichen Verhaltensaspekten, die im Test an verschiedenen Stellen stehen und die nicht offensichtlich zusammengehören. Wenn man ein künstlich beschönigtes Bild von sich präsentieren möchte, gelingt das kaum. Wir prüfen die Konsistenz aller Antworten, decken also offensichtliche Widersprüchlichkeiten auf. Wir wissen, wie Bewerberinnen und Bewerber auf die einzelnen Fragen reagieren und können anhand statistischer Daten erkennen, ob ein Antwortverhalten realistisch ist oder nicht. Darüber hinaus ermitteln wir über spezielle Fragetechniken diejenigen Personen, die zur Überschätzung oder Unterschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten neigen. Über diese und einige weitere Techniken können wir die Glaubwürdigkeit subjektiver Verhaltensberichte gut einschätzen und bewerten.


Derzeit stellen viele Unternehmen und Behörden ihre Tests auf digitale Prozesse um und verzichten auf Einladungen zu Präsenztests. Bewerber können auch von zu Hause aus am Test teilnehmen. Ist da nicht dem Mogeln Tor und Tür geöffnet?


Das könnte man meinen. Aber Tarner und Täuscher finden wir schnell heraus. Neben den gerade angesprochenen Methoden zur Glaubwürdigkeitseinschätzung subjektiver Testinhalte gibt es eine ganze Reihe von technischen Möglichkeiten, um das Mogeln zu unterbinden oder zumindest Mogler zu entlarven. Dazu gehören bestimmte IT-Einstellungen im Onlinetest: Zeitvorgaben, Login-Beschränkungen, Aufgabengruppen nicht mehrfach bearbeiten können, dynamische Parallelformen und so weiter. Aber eine besonders wirksame Maßnahme ist die Überprüfung: Wer im Test erfolgreich ist, wird ja meist vom Arbeitgeber zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Dann muss vor Ort unter Beweis gestellt werden, dass sie oder er höchstpersönlich Urheber der eigenen Testergebnisse ist – und nicht etwa Mama oder Papa.

 

Das geschieht über einen Cross-Check des Leistungstests, bei dem stichprobenartig Aufgaben vorgegeben werden, die der Teilnehmer im „großen Test“ schon einmal lösen konnte. Wer hier einen gewissen Schwellenwert erreicht und sein Niveau halten kann, dem glauben wir die persönliche Urheberschaft. Wer diesen Wert aber nicht erreicht, muss mit misstrauischen Fragen oder der Ablehnung rechnen. Und dann gibt ja noch den persönlichen Eindruck. Wer sich bei den Fragen zur sozialen Kompetenz im Test als besonders extrovertiert und selbstbewusst dargestellt hat, muss diesen Eindruck auch im Vorstellungsgespräch oder im Assessment-Center bestätigen. Daher gilt die Regel: Nicht übertreiben, denn alles muss im Erfolgsfall noch einmal unter Beweis gestellt werden.

5. Die richtige Vorbereitung ist wichtig

Wird man eigentlich besser, wenn man mehrere Online-Assessments gemacht hat?


Erfahrung bringt Routine und Gelassenheit. Das wirkt sich immer positiv auf die Ergebnisse aus. Man bekommt eine konkrete Vorstellung davon, was einen in einer Testsituation erwartet, auch wenn sich die verschiedenen Tests voneinander unterscheiden. Und eines kommt hinzu: Beim zweiten Test weiß man, dass man die Erläuterungen und Instruktionen besser genau lesen sollte, bevor man mit der Bearbeitung einer Aufgaben beginnt. Hier sind Teilnehmer, oft die jüngeren männlichen, beim ersten Mal zu oberflächlich und bleiben unter ihren Möglichkeiten.

 

Wie kann man sich gezielt auf Einstellungstests vorbereiten?


Im ersten Schritt sollte man in sich gehen und überlegen: Was will ich eigentlich beruflich machen? Was könnte mir langfristig Spaß machen, was würde mir liegen. Also informieren und nicht nur das Naheliegende oder vermeintlich Sichere in Betracht ziehen. Damit kann man dann auch auf alle Fragen zur Berufsmotivation in Tests, Interview und Assessment Center souverän antworten.
Dann prüfen: passt eine Berufsausbildung zu mir oder besser ein Studium, ob nun dual oder regulär an einer Universität oder Fachhochschule. Ein duales Studium hat durchaus seine Belastungsmomente, die aus der Kombination praktischer Arbeit im Betrieb und dem Lernen fürs Studium resultieren.


Man sollte sich auch einmal selbstkritisch mit seinem Lerntyp sowie den eigenen Stärken und Schwächen auseinandersetzen. Die persönlichen Berufsinteressen kann man mit dem in der NOZ abgedruckten Fragebogen „Was soll ich werden“ bereits gut erkunden (siehe Quellenangabe, Anm. d. Red.). Wer sich auf einen „harten“ Eignungstest vorbereiten und einen kognitiven Leistungstest unter Echtbedingungen bearbeiten möchte, findet auf unserer Website die geva-Tests „Ausbildung und Beruf“ und „Studium und Beruf“ zur privaten Nutzung. Diese beiden geva-Tests bieten drei Vorteile: berufliche Orientierung, persönliche Stärken- und Schwächenanalyse und Üben eines Intelligenztests. Oder man bewirbt sich bei einem Unternehmen, das vielleicht nicht die allererste Priorität hat und nimmt am Einstellungstest teil. Auch das übt. So lernt man viele unterschiedliche Verfahren kennen und ist vorbereitet, wenn es ernst wird.

 

Herr Bruns, vielen Dank für das Gespräch.


Quelle: Verlagsbeilage Berufswahl 2021 der Neuen Osnabrücker Zeitung, erschienen am 5.9.2020

 

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